Meine Tour nach Amsterdam und zurück - Michael K.
Tag 1
Startet man vom Bahnhof Herrenberg aus, ist die Reststrecke nach Straßburg überschaubar. Rasch durchs Heckengäu durch, ist man auch schon im Schwarzwald. Die Strecke Straßburg Stuttgart mal andersherum zu fahren war die Idee. Die manchmal so quälende Auffahrt zum Ruhestein mal hinunterzurollen, eine schöne Erfahrung. Von den Regentagen zuvor hat sich auf den Höhen des Schwarzwaldes noch eine recht kühle Temperatur von 12 bis 14 Grad erhalten und erst ab Oppenau, waren es dann 20 Grad und mehr.

In Straßburg hatte ich bereits vorab am Place Kléber im Hotel gleichen Namens gebucht. Ein in die Jahre gekommenes Hotel mitten im Herzen der Stadt. Ich bekam ein Zimmer mit Balkon und konnte mein Fahrrad mit in den dritten Stock nehmen. Von da aus bot sich ein herrlicher Blick auf das wuselige Leben in den Straßen. Ich war früh angekommen und konnte am Spätnachmittag noch einen ausgedehnten Spaziergang durch die Altstadt machen. Am Abend dann reichhaltiges Nudelgericht in einem italienischem Resteraunt in einer kleinen Nebengasse. Zum Abschluss noch die Lichtspiele auf der Fassade des Münsters gesehen.
Tag 2
Mein nächstes Ziel war Luxemburg Stadt. Die mit Komoot geplante Route bot nicht viele schöne Strecken. Mal an einem Wasserkanal entlang, mal durch ein bewaldetes Tal, einmal ein kleiner Ort mit alten Steinhäusern an die Felswand gebaut. Leider aber oft auf Hauptverkehrswegen mit ständig vorbeirauschenden Autos und Motorrädern unterwegs. Fahrradwege – Fehlanzeige und wenn, dann in erbärmlichem Zustand.
Was mir im nördlichen Teil vom Elsas auch noch aufgefallen ist und was sich bis zur luxemburgischen Grenze hinzog; steinerne Vorgärten von der übelsten Art. Nicht nur hier und da, sondern durchgehend, ganze Dörfer, ganze Städte. Man könnte einen Bildband erstellen: Gärten des Grauens.


freundlicher Fahrradhändler

Tag 3
Für Luxemburg Stadt hatte ich zwei Nächte gebucht, also für die Besichtigung der Stadt einen ganzen Tag eingeplant. Die Stadt erstreckt sich über ein Plateau und tiefe Täler, was ihr eine einzigartige Topografie vermittelt. Die Alzette und die Petruss durchfließen die Stadt und haben im Laufe der Zeit diese tiefen Täler geformt. Die Oberstadt ist über zahlreiche Brücken mit den Stadtteilen Gare und Kirchberg verbunden, die sich auf den Plateaus befinden. Es gab also einiges zu entdecken. Allerdings musste ich am Vormittag erst einmal ein Fahrradgeschäft aufsuchen. Die Schaltzughülle war am Rahmen geknickt, so dass ein Schalten des Umwerfers nicht mehr möglich war. Zwar hatte ich dafür alle notwendigen Ersatzteile dabei, was mir aber fehlte war eine Zange, um Hülle und Zug zu längen. Ein sehr freundlicher Fahrradhändler half mir dabei und das ging dann viel schneller als ich es hinbekommen hätte. Schöne Erfahrung.

Tag 4
Die dritte Etappe führte mich nach Belgien. Leider auch hier keine fahrradfreundlichen Strecken. Hauptstraßen, holprige Nebenstraßen, sporadisch ein Fahrradweg, dafür trotz ständigem Nordwestwind gutes Vorankommen. Auf halber Strecke nach Amsterdam liegt Hasselt in Belgien. Nette, kleine Stadt, übernachte hier im Ibis Hotel. Sehr leckeres Essen in einem indischen Lokal.
Vorfahrt für den Fahrradfahrer bei kreuzenden Autostraßen
Tag 5
Die Situation für Fahrradfahrer nach Hasselt bis zur holländischen Grenze änderte sich schlagartig. Sehr gut ausgebauter Fahrradfernweg, glatter, roter Asphaltbelag, Vorfahrt für den
Fahrradfahrer bei kreuzenden Autostraßen, und das über eine Länge von 45 Kilometer! Unfassbar. Auch setzt sich das in Holland so fort. Keine Strecke ohne breite Fahrradwege, an Autostraßen oft
auf beiden Seiten. Vollkommen anderes Bewusstsein für den Fahrradverkehr, besondere Rücksichtnahme der Autofahrer.
An diesem Tag erreiche ich nach 720 Kilometer Fahrstrecke Amsterdam, mein eigentliches Ziel.
Fahrräder und Fahrradfahrer, wohin man blickt, Autos spielen hier eine Nebenrolle.

Tag 6 und 7
Um in Amsterdam mobil zu sein leiht mir mein Freund Paul ein altes Hollandfahrrad und zeigt mir in und um Amsterdam einige Orte, die ich so nicht erwartet hätte. Weitläufige Flächen am Wasser, schöne abgelegene Gärten. Fahrräder und Fahrradfahrer, wohin man blickt, Autos spielen hier eine Nebenrolle. Gott und die Welt ist hier auf dem Rad unterwegs. Gefahren wird in aufrechter, entspannter Haltung in einer Dichte wie man es von Bildern aus dem früheren China kennt. Alles sehr beeindruckend. Amsterdam ist besonders.
Genieße nochmals das wunderbar ausgebaute Fahrradnetz

Tag 8
Zeit für die Rückreise, ich verlasse Amsterdam und besuche im Süden Hollands noch weitere Freunde. Genieße nochmals das wunderbar ausgebaute Fahrradnetz, erklettere bei Nijmwegen den letzten und einzigen Berg von 89 Metern, bevor ich die Landesgrenze nach Deutschland überschreite. Ähnlich wie es in Belgien war, scheint auch hier die Nähe zu Holland auf die Infrastrukturplaner abgefärbt zu haben. Weitere gute Radwege bis zur nächstgrößeren Stadt. Danach holt einen die Wirklichkeit wieder ein. Schlechte Straßen, schlechte Radwege, unausweichliche Hauptstraßen. Spät abends erreiche ich Krefeld. Es bleibt wenig Zeit für Trikot Wäsche, duschen und Abendessen.
Tag 9
Nach einem Kaffee und einem belegten Brötchen am Bahnhof starte ich in Krefeld am frühen Morgen. Mein Weg führt mich nach und durch Köln und später durch Bonn. Ab Bonn fahre ich am Rhein entlang. Leider auch hier kein guter Fahrradfernweg, nur Stückgut, meist holprig. Ich lasse Koblenz rechts liegen und bleibe auf der linken Rheinseite (stromaufwärts). Nach diesen zeitaufwendigen Städtedurchquerungen und einem ständigen Südostwind erreiche ich nach 230 Kilometer Rüdesheim spät. Nach Rüdesheim kommen Touristen aus der ganzen Welt. Der besondere Reiz dieser Stadt hat sich mir allerdings nicht erschlossen. Livemusik aus jeder zweiten Kneipe, es wird viel geschunkelt und getrunken.
eine letzte Tasse Kaffee und ein Himbeerkuchen

Tag 10
Heute ist es die siebte und letzte Etappe. Der Fährbetrieb von Rüdesheim nach Bingen beginnt morgens um 5, so dass ich erneut sehr früh auf dem Sattel sitze. Über schöne hügeliges Weinanbaugebiet komme ich auf ruhigen Nebenstraßen nach Worms. Von Worms geht es nach Mannheim, von da aus durchquert man das industrielle Rhein Neckargebiet. Einmal befinde ich mich hier auf einer Hauptstraße, der Verkehr ist zum Erliegen gekommen, kein Durchkommen mehr, auch für den Radfahrer nicht. Also umdrehen, neu planen. Die Temperaturen klettern auf 38 Grad, ständiger Südwestwind. Ich komme langsam an meine Grenzen. Ab Schwetzingen sind es noch 100 Kilometer und es erwarten mich noch etliche Anstiege. Ich beiße mich durch. In Bietigheim eine letzte Tasse Kaffee und ein Himbeerkuchen. Über Ludwigsburg und Tamm komme ich auf die Kornwestheimer Höhe. Die Abfahrt nach Mühlhausen und die letzten Kilometer am Neckar entlang nach Cannstatt erzeugen echte Glücksgefühle. Als ich daheim nach 630 Kilometer ankomme, fängt es an zu regen...
Fazit
Ich hatte keinen Unfall, keine Panne und keinen Regen. Darüber bin ich sehr froh. Ich habe tausend Bilder im Kopf. In sieben Etappen 1.350 Kilometer zu radeln war für mich eine neue
Erfahrung, flaches Gelände mit ständigem Gegenwind ebenfalls. Dass ich keinen Rucksack auf dem Rücken hatte und das Gepäck unter anderem in den neu erworbenen Gabeltaschen unterbringen konnte,
fand ich sehr erleichternd.
In Zukunft werde ich wieder kürzere Tagesetappen planen und mir die Komootstrecken im Vorfeld noch genauer anschauen. Auch freue ich mich wieder auf echte Berge. Eventuell nächstes Jahr in den
Dolomiten. Wer ist dabei?
Text und Bilder: Michael K. ; 20.07.2025
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Günther M. (Donnerstag, 24 Juli 2025 09:16)
Sehr unterhaltsamer und gut geschriebener Reisebericht mit tollen Fotos. Da bekommt man Lust mitzufahren. Super!!!