Rennradfahren mal anders

Erfahrungsbericht von der L‘Eroica Germania

L‘Eroica?  Und was hat das mit Radfahren zu tun? Viele, denen ich von meiner Anmeldung bei dieser Veranstaltung erzählt habe, konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aber um es hier gleich klarzustellen: hat nichts mit Erotik zu tun. Übersetzt heißt Eroica die Heldentat. War da nicht was mit Beethoven? Ja genau, 3. Sinfonie ES DUR op. 55.

la bellezza della fatica e il gusto dell’impresa

der Zauber der Erschöpfung und die Lust am Wagnis

Die Eroica jedenfalls, wurde in Gaiole in Chianti, einem kleinen Dorf in der toskanischen Provinz von Siena, als Veranstaltung für klassische Fahrräder gegründet. Die Regeln der Eroica sind einfach: Rennräder müssen vor 1987 mit sichtbaren Bremszügen sowie mechanischen Schaltern für Kettenschaltungen hergestellt worden sein. Die Teilnehmer sollen alte Wolltrikots und Shorts aus der damaligen Zeit tragen. Moderne Carbon- und Aluminium-Rennräder sind nicht erlaubt.
Inzwischen gibt es Ableger der l’Eroica auf der ganzen Welt: Schweiz, Spanien, Kalifornien, Japan und eben auch in Deutschland.

Eltville, wo die ↗Eroica Germania am 19. August 2023 zum fünften Male stattfand, liegt stromabwärts von Wiesbaden am Rhein. Startpunkt ist der kleine Marktplatz im Teilort Erbach. Soviel ich weiß, waren um die 800 Starter gemeldet – zum Vergleich: in Gaiole di Chianti sind es 8.000. Die lange Strecke war mit 122 Kilometer und 2.100 Höhenmeter notiert und führt gleich am Anfang durch weitläufige Weinberge mit zum Teil herrschaftlichen Weingütern, nicht unähnlich der Landschaft in der Toskana.

Nach wenigen Kilometern kommen die ersten grobschottrigen, ausgewaschene Anstiege mit bis zu 16 Prozent! So dürfen auch schmale, matschige Waldwege nicht fehlen, welche für ein Gravelbike herausfordernd wären. Mit den Stahlrädern, schmalen Reifen und den strengen, bis strengsten Übersetzungen war das nur für die Wenigsten ohne Schieben zu bewältigen. Aber es war ja auch nicht die Streckenführung, die die Veranstaltung zu was Besonderem macht.

Man muss diese alten Colnagos, Pinarellos, De Rosas, Eddi Merckx Räder (und, und, und) gesehen haben, bis aufs penibelste restauriert. Ein echter Augenschmaus. Dazu das illustre, internationale Völkchen der Liebhaber dieser Prunkstücke in ihren Wolltrikos und ihrem sonstigen speziellen Outfit. Am Zielort, im Weingut eines gewissen Baron Knyphausen, waren Verkaufsstände mit Teilen, Rahmen und kompletten Fahrrädern zu erwerben und es gab natürlich Wolltrikos aller Couleur, Rennradschuhe aus Leder, Fahrradhosen mit Ledereinsätzen und lederne Sturzringe. Es wurde in Italienisch, in Belgisch, Französisch und in Englisch fachgesimpelt. Die Stimmung war top.

Es war eine großartige Erfahrung und ich bin froh dabei gewesen zu sein. Auch möchte ich an dieser Stelle meinem ehemaligen Nachbarn Swen danken, der mir mein altes Gianni Motta wieder auf Vordermann gebracht und mich für die Teilnahme motiviert hat. Auf den Bildern derjenige, der jeweils rechts von mir steht mit dem weißen Brustring. Die anderen sind seine Kollegen aus Bremen, die ich bei der Gelegenheit kennenlernen konnte. Und wer weiß, vielleicht kann ich mit diesem Bericht auch die eine oder den anderen aus dem Verein dazu motivieren das alte Stahl-Rad aus dem Keller zu holen, zu entstauben und sich mit mir gemeinsam für die nächste Eroica anzumelden.

Jetzt allerdings steige ich auch gerne wieder auf mein zeitgenössisches Rennrad mit Klickpedalen, wirksamen Bremsen und einem Zahnkranz, mit dem man auch zweistellige Anstiege problemlos meistern kann.
Bis bald, euer Michael Kreder

Text und Bilder Michael K. / 22.08.2023

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Kommentare: 1
  • #1

    Sven (Mittwoch, 23 August 2023 00:40)

    Hallo Michael,
    ein wirklich schöner Artikel! Alles sehr treffend beschrieben. Ich hoffe Du bist das nächste Mal auch wieder dabei. Für alle die neugierig geworden sind: Es gibt in der Mediatek der Bairischen Rundfunks einen sehr netten Beitrag über die Eroica in Gaiole von Max Schmidt in seiner Sendung „Freizeit“. Einfach mal googeln und anschauen! LG Sven